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Von der Idee zur Umsetzung – der Auftakt zu einem neuen künstlerischen Projekt

Es gibt wohl nichts Aufregenderes als die Magie des Neuanfangs. Wer kennt es nicht, dieses Kribbeln einer neuen Idee, diese Aufregung, wenn man mit einem neuen Projekt starten will? Vermutlich ist Herrmann Hesse's Gedichtzeile 'Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne' deshalb in unseren allgemeinen Sprachgebrauch eingegangen.


Genau so erging es mir, als ich den Plan fasste, eine Bildserie umzusetzen, die von Musik inspiriert ist. Jener schnellen, kontrastreichen Art von Musik, die ich hier und da schon mal erwähnt habe. Inspiriert von ihrer Energie, ihrem Rhythmus, ihrer Vielfalt.


Doch wie beginnt man ein solches Projekt?


Recherche


Wissen beflügelt Kreativität. Die Ballett-Choreographin Twyla Tharp empfiehlt in ihrem hervorragenden Buch "The Creative Habit", es zu Anfang eines neuen Projekts mit der Recherche ruhig ein wenig zu übertreiben, damit man die Sicherheit entwickelt, dass man es stemmen kann. Es geht erstmal um das Sammeln, wobei man dabei unweigerlich bereits auf Aspekte stößt, die irgendeine Idee anregen – bewusst oder unbewusst.


Die Form der Sammlung hängt von den persönlichen Präferenzen und der Art des Projektes ab. Ich führe ein analoges "Art Journal", in welchem ich alles sammle, was mich inspiriert. Das betrifft sowohl solche projektbezogenen Recherchen als auch 'Fundstücke' von unterwegs, Skizzen, Ideen oder Dinge, die ich in Kursen lerne. Ich mag es, in alten Inspirationen und Gedanken blättern zu können.


Meine Bildserie sollte sich direkt am Debutalbum von 'Protest the Hero' orientieren. Dafür habe ich dieses nicht nur gehört, sondern auch Songtexte, Interpretationen, Statements und Interviews gelesen.


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Zum Inhalt: "Kezia" ist ein Konzeptalbum, das sich um die Hinrichtung einer Frau dreht, welche aus mehreren Perspektiven erzählt wird. Die Anzahl der Songs sowie die Zuordnung zu verschiedenen Personen gab mir für meine Bildserie von vornherein einen konkreten Rahmen. Zehn Songs sollten zu zehn Bildern werden, bestehend aus drei Mini-Serien – den Erzählenden folgend – und einem Abschlussbild.


Im Grunde stand damit schon meine Zielformulierung. Ich kann nicht genug betonen, wie sehr es hilft, sich selbst ein Briefing zu schreiben und eine Deadline zu setzen! Ich verstehe jetzt, warum das einer der Gründe war, aus denen die Studienzeit so viel kreativen Output hervorgebracht hat. Man hatte einfach ein klares Ziel und einen konkreten Zeitrahmen und hat mit allen Mitteln versucht, das Beste abzuliefern, was man unter diesen Voraussetzungen kreieren konnte. Dann hat man einen Haken dran gemacht und weiter ging es mit dem nächsten Projekt (bzw. Semester).


Loslassen


Wohin nun mit dem ganzen Wissen? Wie fange ich an? In diesem Fall verstaute ich alles Gelernte erst einmal in meinem Hinterkopf, machte die Musik an und legte los.


Um der Angst vor dem weißen Blatt erst gar keine Chance zu lassen, begann ich, zu experimentieren. Auf zwölf Canvas Boards werkelte ich mit verschiedenen Pinseln, Werkzeugen und Farbaufträgen. Gemalt, gespritzt, verlaufend. Teilweise klebte ich auch Papiere ein. Ich ließ mich von meiner Intuition leiten und versuchte, so viel Energie wie möglich aus dem Gehörten aufzunehmen.


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Ich arbeitete mit einer auf dem Cover basierenden, limitierten Farbauswahl und sorgte damit von vornherein dafür, dass die Bildserie harmonieren würde. Warum zwölf Boards und nicht zehn? Weil ich mir sicher war, dass nicht alle Experimente gelingen würden. Meine gestalterische Richtung war nicht fest abgesteckt. Ich war gespannt, wohin sie sich entwickeln würde.


An dem Punkt, an dem ich das Gefühl hatte, dass verschiedene Richtungen aufkamen, sortierte ich die Bilder und entschied, welche zusammengehörten und sich für welche Songs bzw. welchen Charakter eignen würde. An diesem Punkt half dann auch das zuvor gesammelte Wissen, um zu schauen, wie es weiter geht.


Interessanterweise arbeitete ich damit ähnlich wie anfangs die Band:

"Das Problem mit Protest [the Hero], als sie noch so jung waren, war, dass sie all diese Teile von Songs und all diese unglaublichen Parts hatten, aber es gab noch keinen richtigen Song. Wir mussten dafür sorgen, dass die Teile zusammenkommen und zu einem Song verschmelzen. Das war die eigentliche Herausforderung." Adam Mott (damaliger Tour-Manager) – Quelle: The Kezia Interviews

Ähnlich lief es bei der Erstellung der Texte:

"Unser Bassist Arif hat sie [die Texte] geschrieben und er kam einfach mit diesen kleinen zerknüllten Zetteln an. Wir kauften eine Korkpinnwand und er hängte sie einfach in der Reihenfolge auf, in der sie auf der Platte erscheinen sollten, und als wir anfingen, die Songs zu schreiben, dachten wir: "Wisst ihr was? Das fühlt sich so an, als ob diese Texte dort hingehören..." Und dann haben wir die Texte im Song einfach nach Gefühl ausgewählt [...]" Rody Walker (Sänger der Band) – Quelle: The Kezia Interviews

Optimierung


Meine Absicht war es, Abstraktes und Figürliches zu mischen und, dem Narrativ folgend, auch ein paar Portraits zu malen. Nach dem Sortieren setzte ich mich nun also an die erste Teilserie, drei Bilder, die zu den ersten drei Songs gehören – inklusive eines Portraits.


Der Prozess war für jedes Bild anders. Während eins der abstrakten Motive für mich sehr schnell "fertig" war, weil ich es sowohl kompositorisch als auch in den Details total spannend fand, erwiesen sich die beiden anderen als wirklich harte Brocken. Das Portrait ist sogar das dritte auf diesem Board, weil ich mit den zuvor begonnenen nicht zufrieden war. Es hatte sich einfach sehr lange nicht "richtig" angefühlt. Das dritte Bild (Bild 01 der Serie) war lang nicht so gut wie die beiden anderen und ich habe sehr lange damit verbracht, es auf die gleiche Qualitätsstufe zu heben.


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Kezia Serie, Bilder 01–03

Das ist der Vorteil, wenn man in Serien arbeitet: Man sieht, was gut bzw. besser funktioniert, und kann mit diesem Wissen die restlichen Motive verbessern. Man muss viele Entscheidungen treffen, abwägen, was man mag und was nicht – sein eigenes Urteilsvermögen schärfen hinsichtlich dessen, was zu einem spricht. Es ist ein Tanz zwischen intuitivem Arbeiten und bewussten Entscheidungen.


Am Ende ist es mir nicht wichtig, ob die betrachtende Person die Hintergründe meiner Werke kennt, aber der Prozess gibt mir einen Anker und eine Richtung für meine Bilder. Damit pushe mich zu viel mehr und zu viel interessanterem Output, als wenn ich einfach nur experimentieren würde.


Dazu noch eine passende Analogie aus den Interviews zum Album:

"[...] Es ist ein Konzeptalbum und es ist überhaupt nicht wörtlich zu nehmen; man kann immer noch alles mögliche hineinlesen, und vielleicht ist es überhaupt nicht das, was Arif beabsichtigt hat. Das ist das Beste an jeder Platte: seine eigene Sicht zu haben, und es zu seinem eigenen Ding zu machen." Josh Lindley ("Band Dad") – Quelle: The Kezia Interviews

artist and art, Jeanette Bohn, Kezia 02, painting

Momentan arbeite ich an den restlichen Bildern der Serie.








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