Die Herausforderung
Portraits haben mich schon immer fasziniert. Das mag zum einen daran liegen, dass ich selbst immer das Gefühl hatte, in der Abbildung von Gesichtern nicht gut zu sein, und damit alle zu bewundern, die das gemeistert haben. Zum anderen kann ich zu einem guten Portrait viel leichter eine emotionale Bindung aufbauen als z.B. zu einer abstrakten Malerei oder Landschaftsdarstellung.
Wir Menschen sind darauf trainiert, kleinste Unterschiede in Gesichtern wahrzunehmen. Jede noch so kleine Abweichung lässt uns erkennen, wenn das Abbild nicht richtig ist. Um jemanden zu portraitieren, sollte das Bildnis ihm oder ihr möglichst ähnlich sehen. Dafür habe ich lange Zeit Proportionen gelernt, die Loomis-Methode zur Konstruktion von Köpfen verinnerlicht und geübt bis zum Abwinken.
Ich habe mir das nicht ausgesucht, weil ich es mir unbedingt schwer machen wollte. Es reizt mich einfach, eine Persönlichkeit einzufangen. Die Maske zu ergründen, aber auch eine Ahnung von dem, was dahinter sein mag. Die Frage, wie andere Menschen die Welt wahrnehmen, sie erleben und fühlen, finde ich hochspannend.
Das richtige Motiv
Bei der Frage, wen ich malen soll, habe ich mir oft immens schwergetan. Ich habe es immer so empfunden, dass Fans Fanart machen – „richtige“ Künstler:innen dagegen Kunst. Und ich wollte nicht nur ein Fan sein. Ich habe auch kein Interesse daran, den News des Tages angepasst Promis zu portraitieren. Klar bringt das Reichweite – aber es interessiert mich einfach nicht genug.
Vielleicht sehe ich das zu streng, aber ich möchte lieber Personen malen, die mich nachhaltig inspirieren. Dass sich darunter dann doch wieder Personen mit höherem Bekanntheitsgrad mischen, ärgert mich schon fast. Aber da muss ich dann hin und wieder doch über meinen Schatten springen.
Im letzten Jahr habe ich gleich zwei Podcaster-Duos portraitiert, deren Shows beide jeweils schon seit einem Jahrzehnt laufen und mich aus unterschiedlichen Gründen faszinieren.
Linus Neumann und Tim Pritlove beleuchten in "Logbuch: Netzpolitik" aktuelle Geschehnisse aus diesem Bereich, geben technische Erklärungen und fachliche Einschätzungen zu deren Folgen und beschäftigen sich damit, nach welchen netzpolitischen Spielregeln wir in Zukunft leben wollen. Ein extrem informatives, aber auch zynisches und witziges Format.
Nicolas Wöhrl und Reinhard Remfort, ihres Zeichens beide promovierte Physiker, stellen in "Methodisch inkorrekt" wissenschaftliche Paper aller Disziplinen auf unterhaltsame Art vor und machen diese damit leichter zugänglich. Es ist immer wieder überraschend, an wie vielen unterschiedlichen Dingen geforscht und was herausgefunden wird.
Auch Freunde und Freundinnen inspirieren mich und schaffen es auf meine Bilder. Hier eine Portraitserie, bei der ich damit experimentiert habe, wieviel man weglassen kann.
Rechtliche Lage
Grundsätzlich muss man beim Portrait von fremden Personen aufpassen, welche Fotos sich als Vorlage eignen. Hier geht es sowohl um Urheber- als auch Persönlichkeitsrechte, also um die Fotografierenden und die Abgebildeten. Auch wenn in der Regel durch das Handwerk des Malens eine gewisse Schöpfungshöhe erreicht sein dürfte, ist die Rechtslage hier unübersichtlich. Für mich habe ich entschieden, entweder mit eigenen Fotos zu arbeiten oder mit Fotos mit einer freien/CC-Lizenz. Will man unbedingt ein bestimmtes Motiv benutzen, das nicht lizenzfrei ist, könnte man alternativ auch man beim Fotografen bzw. der Fotografin nachfragen – in dem Fall gehört die Nennung des/derjenigen zum guten Ton.
Natürlich gibt es auch immer noch die Möglichkeit, dass man ein Portrait so stark verfremdet, dass es egal ist und die Fotovorlage nur der erste Einstiegspunkt in den kreativen Prozess ist.
Selbstportraits
Ich übe und teste auch vieles an Selbstportraits. Diese erlauben mir, an einem Bild "herumzupfuschen", ohne Gefahr zu laufen, irgendwen damit zu verprellen, außer mich selbst. Das ist unglaublich befreiend. Es sind ideale Spielwiesen für meine Ideen, die guten wie die schlechten.
Der eigene Stil und Inhalt
Optisch einzigartig zu sein ist nicht einfach, vor allem, weil man das Gefühl hat, alles wäre schon einmal gemacht worden und dass es gute Künstler:innen gibt wie Sand am Meer. Hier hilft nur, zu experimentieren und sich auf das zu konzentrieren, was einen interessiert – sowohl inhaltlich als auch visuell.
Inspiration anhand von anderer Kunst kann helfen, seinen Horizont zu erweitern. Damit man aber nicht nur kopiert, hilft ein Trick: Zu verbalisieren, was mir an diesem Bild gefällt. Ist es eine Komposition, eine Technik, ein bestimmtes visuelles Mittel oder vielleicht nur, was (nicht) gezeigt wird? Wenn ich das weiß, kann ich solche Ansätze in meine Werke integrieren, ohne dass sie an Eigenständigkeit verlieren.
Wenn man dann noch Ideen dazu hat, was man eigentlich zeigen und sagen will, wird es nochmal spannender. An dieser Frage habe ich mich lange abgearbeitet. Durch die Antwort darauf entferne ich mich aktuell von rein "abbildenden" Portraits. Dazu demnächst mehr.
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