Nie wieder Ideenmangel: Buchtipps über Kreativität
- Jeanette Bohn

- 19. Juli
- 4 Min. Lesezeit
Update
Starten wir mit einer Neuigkeit: Ich habe eine Ausschreibung gewonnen! Für ein Blatt eines Kunstkalenders, dessen Erlöse an ein Frauenhaus gehen. Ich freue mich sehr, dass ich mal wieder mit einer Arbeit etwas Gutes tun kann. Infos gibt's hier und ich werde natürlich nochmal Bescheid sagen, sobald der Verkauf startet :)

Aktuell bin ich wieder im Atelier und male neue Bilder – noch größere! Da ich dabei wie gewohnt an mehreren gleichzeitig arbeite, sodass sie sich gegenseitig beeinflussen und voranbringen, dauert es aber noch ein Weile, bis ich euch etwas Fertiges zeigen kann. Hier nur ein kleiner Sneak Peak:

Es geht weiter mit HaBits, denn das Thema lässt mich nach wie vor nicht los. Wie auch – erst kürzlich habe ich versucht, ein Wochenende lang ohne Smartphone auszukommen und stieß doch recht schnell an die Grenzen des Machbaren. Selbst wenn ich meine kleinen Errungenschaften feiere – wie auf Bahnfahrten wieder Bücher zu lesen statt auf den Bildschirm zu schauen – bin ich ja trotzdem ein Teil dieser digitalen Gesellschaft und möchte ihre Vorzüge nicht missen. Das alles ist eben ein Prozess – ein Tanz.
Apropros Bücher: Es gibt ein paar Bücher über Kreativität und kreative Prozesse, die mich nachhaltig beeinflusst haben. Einige davon möchte ich hier vorstellen. Ich glaube, dass sie nicht für Künstler:innen und Designer:innen nützlich sein können, sondern für alle, die in irgendeiner Form neue Ideen finden und kreative Projekte verwirklichen wollen.
Natürlich gilt das nur, wenn man sich darauf einlassen möchte. Ich kann nur für mich sprechen, aber der Spaß kommt, wenn ich Probleme löse, wenn ich mich Stück für Stück an eine Lösung herantaste. Das ist harte Arbeit, aber sie ist erfüllend.
The Creative Habit (Twyla Tharp)

In diesem Buch schreibt die Ballett-Choreographin Twyla Tharp darüber, wie man sich die richtigen Rahmenbedingungen schafft, um ein kreatives Leben zu führen.
Sie stellt im Buch zahllose Techniken und Übungen vor. Neben praktischen Tipps und Gewohnheiten, die im Kreativprozess helfen, geht sie dabei auch auf emotionale Aspekte ein. Wie schafft man es, Ängste zu entkräften oder mit der Einsamkeit klar zu kommen, während man versucht, kreativ zu sein? Wie findet man seine eigene "kreative DNA"? Wie startet man gut vorbereitet in einen kreativen Prozess?
Ich kann hier unmöglich alle Strategien wiedergeben. Aber vielleicht einen Auszug: Es geht um Achtsamkeit. Darum, mit offenen Augen durch die Welt zu gehen, Dinge zu sehen, die anderen vielleicht entgehen. Ich muss öfter daran denken, wenn ich unterwegs irgendetwas Kurioses oder Schönes finde, Inspirationen vom Wegesrand sozusagen – kleine Puzzlestücke für zukünftige Werke.
Besonders beeindruckt hat mich an dem Buch die Disziplin, mit der Frau Tharp durchs Leben geht und sich selbst im hohen Alter mit viel Training fit hält, um weiterhin tanzen und choreographieren zu können. Ich finde daher nicht nur das Buch, sondern auch sie als Person sehr inspirierend.
Nea Machina: Die Kreativmaschine (Thomas & Martin Poschauko)

Bräuchte es eine Beweisführung, dass nicht eine Technik allein die kreativsten Ergebnisse liefern kann, sondern erst die Kombination aus vielen – dieses Buch wäre die Antwort. Das Buch geht weit über die Theorie hinaus. In zahllosen Beispielen zeigen die Autoren, wie sie aus dem Spiel zwischen Kopf, Bauch, Hand und Computer sehr neuartige, ungesehene Ergebnisse erschaffen und sich dabei immer wieder selbst überraschen.
Die Botschaft ist Folgende: Gestaltung wird dann neuartig, wenn wir uns nicht nur auf unsere kognitive Leistung und unsere digitalen Tools verlassen, sondern sie mit analogen Techniken mischen. Einerseits passiert mit echten Materialien mehr Unberechenbares und die Haptik lässt unsere Hände intuitiv andere Lösungen finden. Andererseits bieten digitale Tools andere Möglichkeiten, um damit weiterzuarbeiten, zu remixen, zu manipulieren. Also warum nicht damit spielen und zwischen den verschiedenen Welten hin- und her wechseln?

Ich bekomme beim Blättern immer ungeheure Lust, zu experimentieren und zu gestalten. Aktuell benutze ich digitale Methoden meist nur, wenn ich mir unsicher bin, wie es mit einem Gemälde weitergeht. Dann mache ich manchmal ein Foto und teste nächste Schritte auf dem iPad, um dann an die Leinwand zurück zu kehren – natürlich mit wieder anderen Ergebnissen, das versteht sich von selbst. Eine weitreichendere Möglichkeit wäre, die digitalen Bearbeitungen weiter zu verfolgen und daraus eigenständige Arbeiten zu entwickeln – mit allen Tools, die die Programme so hergeben.
Echtzeit: Die Kunst, intuitiv zu denken (Michael Matthiass)

Dieses Buch habe ich erst kürzlich gelesen. Michael Matthiass kommt aus der Werbung und weiß, wie schwer es ist, herausragende Ideen zu entwickeln. Er setzt sich damit auseinander, woher Geistesblitze kommen und wie man erkennt, ob eine Idee, ein Konzept, ein Film etc. gut ist.
Runtergebrochen auf die Essenz ist der Prozess der Ideenfindung etwa Folgender: Wir müssen den Kern eines Problems präzise formulieren, sodass unser 'langsames Denken' im Hintergrund an einer Lösung tüfteln kann. Das ist die Startrampe für alle Ideen. Dann lassen wir die Gedanken fließen. In der nachgelagerten Bewertungsphase gilt es, dem Bauchgefühl zu vertrauen: Denn wir merken intuitiv, ob etwas funktioniert, selbst wenn wir rational vielleicht noch nicht wissen, warum.
Der Autor bricht diese kognitiven Prozesse Stück für Stück herunter und lässt einen mit dem Gefühl zurück, dass wir das alle können, dass das kein Privileg von einer Handvoll Kreativen ist – sofern man die richtigen Schritte geht und lernt, seiner Intuition zu vertrauen.

Zusammenspiel
All diese Inhalte ergänzen sich meiner Meinung nach hervorragend: Die Vorbereitung und Rahmenbedingungen, die praktische Arbeit mit verschiedenen Werkzeugen und die kognitiv-intuitiven Strategien. Oft erklärt auch ein Buch einen theoretischen Aspekt einer praktischen Übung aus einem anderen. Und es ergibt sich ein Gesamtbild, wie Kreativität funktioniert.
Mehr?

Gerade lese ich noch zwei weitere Bücher von denen ich viel erwarte: Zum einen "Doom & Bloom" von Campbell Walker (Struthless). Da geht es darum, wie wir in einer Welt, die uns mit schlechten Nachrichten und Entwicklungen zu erdrücken droht, trotzdem zur Kreativität finden. Ich bin sehr gespannt! Es ist toll gestaltet und ein Aspekt, der in den vorgestellten Büchern so noch nicht explizit besprochen wurde.

Zum anderen, ganz frisch bei mir angekommen, "The Work of Art" von Adam Moss. Ihn interessiert Kreativität als Erfahrung – die ersten Ansätze, die Bedenken und Frustrationen, das triumphale Gefühl am Ende eines Prozesses. In diesem sehr umfangreichen Buch interviewt er Kreative aller Art, zeigt Skizzen und Notizen, Halbgares und Verworfenes und ist viel mehr am Weg als am Ziel interessiert.

Ich wünsche euch einen kreativen Sommer!




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