Unsichtbar
In meiner Schulzeit fühlte ich mich oft isoliert und unverstanden. Wenn ich meinen Mund aufmachte, hatte ich Angst vor Hänseleien und Spott. Ich versuchte also, unsichtbar zu sein, indem ich nur noch aussprach, was 'ungefährlich' schien. Selbst wenn ich im Unterricht die Antworten wusste, behielt ich sie oft genug für mich.
Ungeschützt
Ich flüchtete mich damals in Bücher, aber auch ins Zeichnen, kreierte mit Stift und Pinsel Menschen und Monster. So verarbeitete ich nicht nur die Zurückweisung, sondern suchte Ausdrucksmöglichkeiten für meine Ideen und Gedanken. Das Blatt wurde zu meiner Spielwiese, auf welcher ich "ich" sein durfte – ganz authentisch und gleichzeitig ganz heimlich.
Jahrzehnte später beschäftigt mich diese Dualität noch immer. Während ich meine Werke zeigen und als Künstlerin gesehen werden will, gibt es im Hintergrund diese nagende Angst, dass ich zu viel von mir als Privatperson preisgebe. Dazwischen zu trennen, ist eine Gratwanderung.
Denn wie sagte schon Neil Gaiman in seiner Rede: "The moment that you feel, just possibly, you are walking down the street naked, exposing too much of your heart and your mind, and what exists on the inside, showing too much of yourself... That is the moment, you might be starting to get it right." Natürlich meinte er damit die Notwendigkeit der Authentizität für einen wertvollen künstlerischen Ausdruck. Dem entgegen steht der Selbstschutz, den wir zumindest nicht komplett aus den Augen verlieren sollten.
Riskant
Eine noch größere Dimension bekommt das Thema, wenn wir uns vor Augen halten, dass der Schutz unserer Daten – und nicht nur unserer Äußerungen – im digitalen Zeitalter ein zerbrechliches Gut ist. Ob nun die Tech-Konzerne detaillierte Profile über uns erstellen, ob Sicherheitslücken ausgenutzt oder Passwörter geleakt werden – all das passiert ja noch zusätzlich oder ganz im Verborgenen. Diskussionen um unsichere Software, um Chatkontrolle oder ganz allgemein um digitale Selbstbestimmung tangieren oft nur eine Minderheit und laufen ansonsten unter dem Radar.
Dass wir uns damit auseinandersetzen, politisch handeln und Regeln etablieren müssen, liegt auf der Hand, wenn wir nicht Gefahr laufen wollen, totalüberwacht zu werden – von wem auch immer.
Viele Menschen scheinen sich darüber nicht allzu viele Gedanken zu machen. Da werden munter Fotos, aktuelle Aufenthaltsorte, gelebte Beziehungen mit der ganzen Welt geteilt. Wir wollen dazu gehören und uns darstellen, also teilen wir uns mit, nicht selten leichtsinnig und umfassend.
Ziel meiner Bildserie ist es, den Betrachtenden zu einer Reflexion seiner (digitalen) Existenz anzuregen und dazu, private Informationen mit Bedacht zu teilen, Plattformen umsichtig zu benutzen, sich zu informieren und zu engagieren. In den Bildern beleuchte ich unterschiedliche Aspekte von Privatsphäre und Datenschutz. Ich glaube nicht, dass Authentizität dem Schutz der eigenen Daten "entgegen" steht, sondern dass wir als Einzelne genauso wie als Gesellschaft Wege finden müssen, beides sicherzustellen.
Ausgestellt
Vom 25.–27.08.2023 könnt ihr "The Stare" und "Privacy" beim Museumsuferfest in Frankfurt live und in Farbe sehen. Gemeinsam mit 13 weiteren Kunstschaffenden des BBK (Berufsverband bildender Künstlerinnen und Künstler Frankfurt) sowie dem Kunstverein Freigehege, stellen wir Malerei, Druckgrafik, Stoffbilder, Fadengrafik, Installationen und Bildhauerei aus. Kuratiert und organisiert wird das Ganze von Joachim Mennicken. Unser Stand befindet sich direkt am Mainufer auf der Sachsenhäuser Seite – auf Höhe des Liebighauses.
Ich werde auch vor Ort sein – mindestens samstags von 11 bis 14 Uhr und sonntags von 09 bis 14 Uhr. Kommt doch mal vorbei! Wir freuen uns.
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